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Emigration SU
Gesamtliste Emigr.
Anerkennungsentzug
Liste B n.draussen 1
Liste B n.draussen 2
Liste B alphabet.
Vatlin.Liste/Einl.
Auslieferung 1939/41
Remigration a.d.SU
Impressum

Stand Okt.  2019

 

Bearbeitete Nachschrift der „Liste =B= nach draussen“, die mir vor etwa zwanzig Jahren von einem  Mitautor von „In den Fängen des NKWD“ überlassen wurde.

Die Liste gehört in den schon 1995 von Carola Tischler dargestellten Zusammenhang der „Überprüfung der Politemigration“ (Flucht in die Verfolgung Deutsche Emigranten im sowjetischen Exil 1933-1945, Münster 1995, hier S.95-98). Schon um die Jahreswende 1935/36 begann bei der Komintern erkennbar das Bemühen, die Emigration einzudämmen und die in der Sowjetunion lebenden Emigranten zu überprüfen. Wessen Verbleib in der SU nicht unabdingbar war, der sollte das Land verlassen. Aus einer Zusammenstellung von ca 2700 deutschen Emigranten hatte eine Überprüfungskommission der KPD bis zum Oktober 1936 bereits 2500 überprüft. Einer erheblichen Zahl von ihnen sollte die Bleibeberechtigung aberkannt werden (einer von diesen war Willi Harzheim aus [heute Gelsenkirchen-]Horst, dessen schriftstellerischen Nachlaß der Autor dieser Seiten herausgegeben hat; in seiner Kaderakte steht der Vermerk "Remigration"). Für die „Wirtschaftsemigranten“ war an eine legale Rückkehr gedacht. Früher als Abweichler in die SU „Abgeschobene“ wollte man wieder aus dem Lande drängen, ebenso alle politisch Verdächtigen; dazu gehörten allemal die ohne Parteizustimmung Emigrierten. Im Einzelfall sollten zuverlässige Parteimitglieder nach Deutschland in die illegale Arbeit zurückkehren.

Die im März 1938 zur Ausreise aus der Sowjetunion gedrängte Mitarbeiterin der deutschen Sektion der Komintern, Edith Just (Listen-Nr. 298), sagte zu dieser Unternehmung bei der Gestapo aus:

„Die Mitgliederzahl der illegalen KPD in der SU betrug Ende 1936 karteimäßig 1300 bis 1400 Personen. Dabei möchte ich jedoch bemerken, daß eine Anzahl von etwa 200 bis 300 Personen überhaupt nicht erfaßt wurde. Mitte 1936 setzte eine Kontrolle sämtlicher Parteimitglieder ein, die bis heute [März 1938] nicht beendet ist, da die Mitglieder dieser Kommission bisher stets vor Beendigung ihrer Kontrolle verhaftet wurden.“

So kann auch die „Liste =B= nach draußen“ im Sinne ihrer Auftraggeber noch nicht fertiggestellt gewesen sein. Zum Beispiel „fehlt“ in ihr der Name Willi Harzheim (RGASPI 495/205/4663); ebenso etwa der von Rudolf Sobiech aus Gelsenkirchen, der im Oktober 1937 verhaftet, aus der Partei ausgeschlossen und 1938 ausgewiesen wurde (vgl. auf dieser Seite unter "Weitere Repressierte").

Die genaueren Umstände der Entstehung der Liste sind nicht bekannt, auch nicht der genaue Zeitpunkt ihres Entstehens; jedenfalls findet sich nach meiner Kenntnis darüber nichts Nachlesbares, auch keine Publikation der vollständigen Liste. Carola Tischler war sie bei den Recherchen für ihre Arbeit "Flucht in die Verfolgung"  nicht zugänglich.

Die mir überlassene Kopie trägt keine Signatur. Sie dürfte nach den Umständen zu den 1990 aus Moskau  dem eben entstandenen Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung (vorher IML) überlassenen Dokumenten gehören; das Original trägt wahrscheinlich die Signatur RGASPI 495/175/117; dieser Bestand ist noch heute gesperrt, so daß eine Überprüfung im Moskauer Archiv nicht möglich ist. Der Verbleib der aus Moskau gelieferten Original-Kopien läßt sich anscheinend nicht mehr klären. Nach Überprüfungen liegen sie weder in den Beständen der BStU noch in denen des BArch.

Die Liste enthält etliche Bemerkungen in Maschinenschrift, die offensichtlich vom Verfasser der Liste stammen; außerdem trägt sie eine Anzahl handschrftl. Vermerke von späterer Hand, wahrscheinlich aus dem IML, möglicherweise im Zusammenhang mit der Erarbeitung von „In den Fängen des NKWD“ entstanden. Aus diesem Zusammenhang stammt auch ein – plausibel erscheinender - angenommener Zeitpunkt des Entstehens: Spätsommer bis Frühherbst 1937, Nachbearbeitung bis Ende 1937.

 

In der letzten Spalte dieser Nachschrift sind bei etwa der Hälfte der Aufgeführten eigene  Hinweise auf ihr Schicksal  eingefügt, vor allem Fundstellen aus der einschlägigen Literatur, die weiterführen. Dabei sind auch unsichere Hinweise angeführt, vor allem bei ungesicherter Identifizierung, auch in der Erwartung, dass von Lesern der Seite etwa gebotene Korrekturen mitgeteilt werden.

Zu diesen „eigenen Bemerkungen“:

"Mem." verweist auf die Opferliste von Memorial, Moskau, http://lists.memo.ru/ index.

Der Hinweis „EmiListe“ beruht auf RGASPI 495/175/134, der Liste der deutschen Politemigranten aus der Zeit von 1925 bis 1940.

Angeführt wird auch die Eintragung in die Dittbender-Liste über „verdächtige und schlechte Elemente“, RGASPI 495/292/83.

Ausgewertet ist auch die „Information über trotzkistische und feindliche Elemente in der Emigration der KP Deutschlands“, RGASPI  495/74/124 Bl. 11-31, die William J. Chase unter www.yale.edu/annals/Chase/Documents in englischer Übersetzung mit zum Teil umfangreichen biogr. Anmerkungen veröffentlicht hat [Die Kritik von Reinhard Müller, Denunziation und Terror, in: Jürgen Zarusky, Stalin und die Deutschen, München 2006, S. 47, an Chase ist jedenfalls insoweit überholt als ausgelassene Namen nachgetragen sind];

Angaben über Ausschlüsse aus der KPD beruhen auf der Liste RGASPI 495/175/100 und auch auf BArch RY 1/I 2/3/82. [Wegen der Revision solcher Ausschlüsse durch die SED wurde auf Grabert/Prieß (s.u.) zurückgegriffen.]

Aus der Verhaftetenliste RGASPI 495/175/118 werden vor allem Hinweise [„verh.“] auf verhaftete Ehemänner aufgelisteter Frauen gegeben.

"GARF" mit Signatur verweist auf Akten des Staatlichen Archivs der Russischen Föderation.

Angaben aus der „Sonderfahndungsliste UdSSR“ [„Sonderf.liste“], Erlangen 1977, wurden vor allem zur besseren Identifizierung von Personen aufgenommen.

Der Hinweis „ausgew[iesen]“ beruht in der Regel auf dem Vorhandensein eines Rückkehrerprotokolls im PAAA. Das Geburtsjahr ist im Hinblick auf die Zugänglichkeit des Protokolls nach dem Archivrecht angegeben.

„DDR“ oder "DDR-Remigr." weist auf Nachkriegsremigranten hin. Diese Angaben beruhen in der Regel auf SAPMO BArch DY30/IV2/11/188 u. 261 sowie 258 Bl. 460-462, in Einzelfällen auch auf den in die Bestände des PAAA übernommenen Akten des MfAA zur Remigration aus der SU (MfAA A 1065 vor allem Band 40).

Die Hinweise auf Erschießungen beruhen in der Regel auf der Opferliste von Memorial, Plener/Mussienko, Verurteilt zur Höchststrafe, und den im ‚Neuen Deutschland’ veröffentlichten Listen (Butowo u.a.) sowie auf der Liste „The Karlswalde Web Pages Names from Russian Sources Erschießungslisten Butowo Region 1930-1950“ www.home.arcor.de/pulin/karlswalde/liste/nfrs_butowo.htm .

 

Die sonstigen Hinweise beruhen in der Regel auf:

G. Aly, Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland, München 2009 (Aly, Verfolgung)

Autorenkollektiv,  „In den Fängen des NKWD“, Berlin 1991 („I.d.Fängen“);

Autorenkollektiv, Geschichte der Militärpolitik der KPD (1918-1945), Berlin 1987 (Militärpolitik);

Barck/de Ruder/Schmeichel-Falkenberg, Jahrhundertschicksale Frauen im sowjetischen Exil, Berlin 2003 (Barck u.a., Jahrhundertschicksale);

Bayerlein/Hedeler, Georgi Dimitroff Kommentare und Materialien zu den Tagebüchern 1933-1943, Berlin 2000 (Bayerlein/Hedeler, Dimitroff Kommentare);

Buckmiller/Meschkat, Biographisches Handbuch zur Geschichte der Kommunistischen Internationale Ein deutsch-russisches Forschungsprojekt, Berlin 2007 ( Biogr. Handbuch / für CD: Komintern-Biogr.);

O. Dehl u.a., Verratene Ideale Zur Geschichte deutscher Emigranten in der Sowjetunion in den 30er Jahren, Berlin (Dehl, Verratene Ideale);

J. Grabert / L. Prieß, SED und Stalinismus Dokumente aus dem Jahre 1956, Berlin 1990 (Doku )

B. Gross, Willi Münzenberg Eine politische Biographie, Stuttgart 1967 (Gross, Münzenberg);

G. Hamacher u.a., Gegen Hitler, Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung „Freies Deutschland“, Manuskripte 53, 2.A. Berlin 2005 (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Manuskripte 53)

W. Hedeler / I. Münz-Koenen (Hg.), "Ich kam als Gast in euer Land gereist..."  Deutsche Hitlergegner als Opfer des Stalinterrors. Familienschicksale 1933 - 1956, Katalog zur Ausstellung, Berlin 2013

B. McLoughlin/J. Vogl, ...Ein Paragraf wird sich finden  Gedenkbuch der österreichischen Stalinopfer (bis 1945), Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 2013 (McLoughlin/Vogl, ...Ein Paragraf wird sich finden)

W. Mensing, Von der Ruhr in den GULag, Essen 2001 (Mensing);

R. Müller, Menschenfalle Moskau  Exil und stalinistische Verfolgung, Hamburg 2001 (Müller, Menschenfalle);

ders., Die Akte Wehner Moskau 1937 bis 1941, Berlin 1993 (Müller, Die Akte Wehner),

ders., Herbert Wehner Moskau 1937, Hamburg 2004 (Müller, Herbert Wehner);

U. Plener / N. Mussienko, Verurteilt zur Höchststrafe: Tod durch Erschießen Todesopfer aus Deutschland im Großen Terror in der Sowjetunion 1937/38, Texte/Rosa-Luxemburg-Stiftung Bd. 27, Berlin 2006 (Plener/Mussienko, Verurteilt zur Höchststrafe)

H. Schafranek, Zwischen NKWD und Gestapo, Frankfurt/M 1990 (Schafranek)

M. Stark, „Ich muß sagen, wie es war“ Deutsche Frauen des GULag, Berlin 1999 (M. Stark, Ich muß sagen);

B. Studer/B. Unfried, Der stalinistische Parteikader  Identitätsstiftende Praktiken und Diskurse in der Sowjetunion der dreißiger Jahre, Köln 2001 (Studer/Unfried, Stalinist. Parteikader);

S. Shurawljow, Ich bitte um Arbeit in der Sowjetunion, Das Schicksal deutscher Facharbeiter im Moskau der 30er Jahre, Berlin 2003 (Shurawljow, Ich bitte um Arbeit);

C. Tischler, Flucht in die Verfolgung, Münster 1996 (Tischler);

A. Vatlin, "Was für ein Teufelspack", Berlin 2013 (Vatlin)

Weber/Staritz, Kommunisten verfolgen Kommunisten, Berlin 1993 (Weber/Staritz, KvK);

Weber/Herbst, Deutsche Kommunisten  Biographisches Handbuch 1918-1945, Berlin 2004 (Weber/Herbst) und Supplement-Band 2013.

 

Für Rückkehrer/Ausgewiesene nach Deutschland wurden, soweit vorhanden, die Rückkehrer - Vernehmungsprotokolle im PAAA ausgewertet. Allerdings konnten noch nicht alle vorhandenen Protokolle durchgesehen werden; die nicht durchgesehenen Prot. sind i.d.R. ohne Signatur. Soweit der Todeszeitpunkt der betr. Personen unbekannt ist und ihr Geburtsdatum nach 1909 liegt, wurden persönliche Angaben zurückgehalten, es sei denn, daß aus anderen Zusammenhängen eine Verwendungsgenehmigung besteht. Die Vernehmungen zeigen, daß viele Ausgewiesene bei der Polizei/Gestapo ihre ausweislich der Kadernummern mindestens zeitweilige KPD-Mitgliedschaft verleugneten. Angesichts der Verfolgung von Kommunisten durch das NS-Regime war das verständlich, allerdings nicht selten wegen bereits vorhandener Informationen der NS-Organe vergeblich.

 

In der Liste fehlen etliche Kader-Nummern; dafür wurde jeweils ein „?“ gesetzt, ein „(?)“ bei Kader-Nummern, die in der Kopie nicht sicher lesbar sind.

Etliche der in der Liste aufgeführten Personen hielten sich zur Zeit ihrer Aufstellung nicht (mehr) in der SU auf. Bei einigen ist das ausdrücklich angemerkt, bei einer Reihe anderer, von denen einige schon 1933 oder 1934 ausgereist waren, nicht (z.B. Viktor Adamczak, Bruno Dubber, Käthe Claas, Ernst Haberland). Insoweit ist die „Liste =B= nach draussen“ wohl auch als „Liste nicht wieder herein“ zu verstehen.

Einige der Aufgeführten waren im Sommer 1937 bereits erschossen (z.B. Matthias Lückel). Da wird man vermuten dürfen, dass der Informationsfluß nicht hinreichend zügig war, um das zu berücksichtigen

Abweichende Schreibweisen von Namen sind in „[ ]“ eingefügt, gelegentlich sind Decknamen  angeführt.

Bei fehlenden Vornamen wurde „Vnu“ [Vorname unbekannt] eingefügt.-

 Parallel zu der Zusammenstellung der Liste gab es 1936/37 in mindestens mehr als 25 Fällen Einzelfallentscheidungen einer Kominternkommisssion für  - so gut wie ausschließlich - Mitglieder der KPÖ, von Oleg Vishlev zusammengestellt, die legale Rückkehr anzustreben, überwiegend mit der Begründung, sie seien in Österreich nicht mehr gefährdet. Diese KPÖ-Mitglieder wurden tatsächlich mehrheitlich  ausgewiesen, allerdings zum Teil erst wesentlich später.-

Da die Liste "nach draußen" nicht strikt nach dem Alphabet aufgebaut ist, wird sie zusätzlich in eingeschränkter Form (nur Namen und Listen-Nummern) als alphabetische Liste beigegeben, um die Suche nach Namen zu erleichtern.

 

Vorläufige Auswertung

Nachweisbar anerkannte Politemigranten in der Liste ca 70 Personen

Erschossene oder sonst in der SU Umgekommene mind. 80 Personen

Ausgewiesene/Ausgereiste ca 85 Personen, dazu zahlreiche  Familienangehörige (darunter nicht wenige Ausreisen vor 1936, also lange vor Zusammenstellung der Liste); nur 12 von ihnen wurden nach Abschluß des Hitler/Stalin-Pakts abgeschoben/zur Ausreise veranlaßt. [Dr. Oleg Vishlev, Moskau, der mir freundli-cherweise seine Auszählungen im PA AA zur Verwertung überlassen hat, zählt unter den 313 von Oktober 1939 bis Mai/Juni 1941 aus der SU Ausgewiesenen 17 Politemigranten aus Deutschland, 44 aus Österreich.]

Mindestens 25 Personen sind nach dem Krieg in die SBZ/DDR remigriert.

Von den Frauen auf der Liste sind zahlreiche Ehefrauen Verhafteter, gelegentlich auch  Ehemänner verhafteter Frauen; wo entspr. Hinweise bekannt waren, wird das angemerkt.

 

Bemerkenswert ist, dass im Herbst 1948, nach allen Repressionen, Ausweisungen etc und nach der Abreise der Gruppen Ulbricht, Ackermann und Sobottka nach Deutschland sowie der Abreise ein Reihe weiterer KP-Mitglieder, die in der SBZ gebraucht wurden, noch immer über 200 deutsche KP-Mitglieder in der Sowjetunion waren (vgl. die Liste der in Moskau und in der Provinz lebenden Genossen, die von der "Genossin Bölke" im September 1948 Wilhelm Pieck zugeleitet wurde, SAPMO BArch DY 30/IV 2/11/258), von denen dann einige noch bis zu 10 Jahre auf ihre Repatriierung warten mussten.

 

Die Bearbeitung der Liste ist vorläufig soweit abgeschlossen, wie sie mit den dem Bearbeiter  bekannten und ihm zugänglichen Hilfsmitteln möglich ist; allerdings erbringt die Durchsicht der Rückkehrer-Protokolle und neuer Publikationen immer wieder einzelne  Informationen zu Personen, über deren Schicksal nichts oder kaum etwas publiziert ist. Zu weit mehr als der Hälfte der Verzeichneten haben sich inzwischen Hinweise gefunden, die dank der Verwendung zahlreicher Quellen vielfach über das hinausgehen, was sich in Einzelpublikationen über Repressionsopfer findet.

Jeder zusätzliche Hinweis, ergänzend oder korrigierend, ist willkommen.

Es ist geplant, später- über die "Liste B nach draußen" hinausgehend - eine Zusammenstellung unaufgeklärter Schicksale deutscher Emigranten aus der SU auf dieser Internetseite zu veröffentlichen. Das setzt allerdings eine Bearbeitung des gesamten Konvoluts der Gestapo-Vernehmungsprotokolle der Russlandrückkehrer im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin, voraus. Diese Bearbeitung ist derzeit bis zum Buchstaben S gelangt.

 

NKWD und Gestapo